Grüne Wirtschaftspolitik 30/04/201930/04/2019 Der Kern grüner Wirtschaftspolitik beinhaltet ökologische Standards sowie die Förderung von Angebot und Nachfrage neuer Technologien durch ordnungspolitische Leitplanken und Vergabe öffentlicher Mittel. Der Staat darf steuern – bekannt als Ordnungspolitik. Nur so können wir den Herausforderungen Digitalisierung, Klimakrise und den aggressiven Strategien Chinas und der USA wirksam begegnen: wer die Technik beherrscht und die Fachkräfte hat, kann neue Technologien mitprägen und ethische Leitlinien und Standards setzen. Während Bundeswirtschaftsminister Altmaier mit seiner „Nationalen Industriestrategie“ die Formierung europäischer Industriegiganten fördern will, stellen wir Europas Innovationskraft der kleinen und mittelständischen Unternehmen in den Vordergrund. Hierbei setzen wir eben nicht auf Bestandsschutz, sondern auf marktwirtschaftlichen Wettbewerb, flankiert durch staatliche Forschungsförderung. Negative Auswirkungen auf die Verteilungsgerechtigkeit müssen angemessen aufgefangen werden. So wollen wir den ökologischen Wandel in Unternehmen sowohl mit der Förderung von industriellen Leuchtturmprojekten unterstützen, aber auch mit ordnungspolitischen Vorgaben und Mindeststandards dafür sorgen, dass die Anforderungen an Energie- und Ressourceneffizienz verbessert werden. Europäische Unternehmen leiden zunehmend durch Wettbewerbsverzerrungen durch staatlich geförderte Unternehmen. Insbesondere große chinesische Unternehmen sind zu einem hohen Anteil in staatlicher Hand und genießen Subventionen. Aus diesem Grund fordern wir eine Reform des EU-Beihilferechts, um diese Marktverzerrungen abzumildern. Unsere Industriestrategie will die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) in Europa vorantreiben. Notwendig hierfür ist aus unserer Sicht die Formulierung eines einheitlichen europäischen Rechtsrahmens für datengetriebene Geschäftsmodelle, eine bessere Vernetzung der KI-Kompetenzzentren in Europa und die Förderung des Aufbaus von KI-Ökosystemen. Bei der informationstechnischen Umsetzung setzen wir auf hohe Datenschutz- und Sicherheitsstandards – quasi als Markenzeichen europäischer Stärke. Die Digitalisierung ermöglicht eine enorme Kontrolle. China nutzt sie, um das autokratische System zu festigen. Die Datensammlung führt zu Monopolstellungen und behindert damit den wirtschaftlichen Wettbewerb. Protektionismus schränkt internationale Kooperationen ein, auch im Klimaschutz. Der Klimawandel macht aber nicht an Grenzen halt; kein Staat kann diese Aufgabe alleine bewältigen. Grüne Wirtschaftspolitik betrachtet die geschilderten Herausforderungen im Zusammenhang und nicht isoliert: Sie wird auf europäischer Ebene gedacht. Europa ist die Basis, um die Technologiemärkte der Zukunft mitzugestalten. Dafür müssen europäische Wettbewerbsregeln angepasst werden, die neue Aspekte wie Datensammlung, horizontale Vernetzung und den globalen Markt stärker in kartellrechtliche Bewertungen einfließen lassen.Sie ist international geprägt. Die globale Handelsordnung ist ökologisch und sozial weiterzuentwickeln, wobei Europa die Standards für eine ökologisch-soziale, liberale und partnerschaftliche Globalisierung setzt.Sie ist auch Chancenpolitik für Gründerinnen und Gründer. Für die Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes sind Start-Ups notwendig. Hierfür ist ein europaweiter Venture Capital Markt zu schaffen. Und übernehmen ausländische Konzerne europäische Start-Ups, sollen sie einen Ausgleich für die ggfs. erhaltenen Fördermittel zahlen.Sie verfolgt ein ausbalanciertes Staat-Markt-Verhältnis. Freie Märkte entfalten die notwendige schöpferische Zerstörung, aber erst ein ordnungspolitischer Rahmen sorgt dafür, dass seine Kraft in ökologische und soziale Richtungen fließt. Ein „innovierender Staat“ schafft neue Märkte, indem er temporär Risiken übernimmt und Fördermittel in neue, vielversprechende Technologien investiert.Sie setzt auf die ökologische Modernisierung der Wirtschaft. Das ist ökologisch geboten und ökonomisch erforderlich, denn Nachhaltigkeit ist ein Wettbewerbsfaktor: Ein effizienter Umgang mit Ressourcen und Energie senkt Produktionskosten und schafft dadurch Wettbewerbsvorteile. Hierzu müssen die Preise die ökologische Wahrheit widerspiegeln, d.h. negative externe Effekte berücksichtigen. Ökologisch-effizientes Marktverhalten ist mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu fördern. Gleichzeitig müssen die sozialen Härten, die mit einem digitalen und ökologischen Strukturwandel verbunden sind, abgefedert werden. Grüne Wirtschaftspolitik ist digital und innovationsgetrieben sowie ökologisch und sozial – hierzu 2 Beispiele: Roboter, Drohnen, Sensoren und Kameras übernehmen zukünftig mit digitaler Technik in der Landwirtschaft die Aufgabe, Pestizide, Dünger, Wasser und auch die riesigen Mähdrescher einzusparen. Das Sammeln und Auswerten von Daten ist eine gewaltige Aufgabe, die sich aber lohnt: Bodenmängel können genauer lokalisiert werden und nur dort wird eingegriffen, wo es nötig ist. Kleine Maschinen sind flexibler als große – damit sind Monokulturen nicht mehr notwendig. Grünstreifen dürfen wieder grünen, Hecken den Feldrain zurückerobern. Damit ergeben sich Rückzugsorte für die Tier- und Pflanzenwelt.Eine drastische Steuer auf jede Form des CO2-Ausstoßes, aber auch eine deutliche Verknappung von CO2-Zertifikaten, machen die Emission von Treibhausgas teurer. Damit würden sich Einsparungen ebenso lohnen wie ein weniger umweltfeindlicher Lebensstil – ganz ohne dirigistische Verbote. Allerdings haben unterschiedliche soziale Gruppierungen in unterschiedlichem Maße zum Klimawandel beigetragen und sind auch unterschiedlich in der Lage, mit dessen Auswirkungen umzugehen. Der Klimapolitik muss daher flankierend eine Sozialpolitik zur Seite gestellt werden – bspw. durch Sozialtarife, bei denen Energietarife (etwa für Wasser und Strom) an das angepasst werden, was in einer Gemeinde als Grundbedürfnis angesehen wird. Der darüber hinausgehende Konsum wirkt finanziell belastend. Während der Gesamtpreis kontinuierlich steigen könnte, würde die finanzielle Hauptlast denjenigen Haushalten aufgebürdet, die am meisten Energie verbrauchen. Europa braucht eine neue Vision, die die Widerstands- und Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents erhöht. Das geht nicht ohne eine soziale Stärkung Europas, aber eben auch nicht gegen die Wirtschaft. Die soziale Marktwirtschaft bietet die besten Voraussetzungen für ökologisches Wirtschaften. Dr. Helmut Siegert
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