Am Gelde hängt es (auch)

… In unserem grünen Parteitagsbeschluss vom 17.11.2019 „Zukunftsfähig wirtschaften für nachhaltigen Wohlstand“ findet sich der Satz „Märkte können, wenn die Anreize richtig gesetzt sind, eine grüne Revolution entfachen, die unsere Vorstellungskraft auf die Probe stellen wird“. Von vielen unbemerkt, haben wir einen Schwenk vollzogen: weniger Ideologie und mehr Pragmatismus … bspw. durch die Schaffung von Rahmenbedingungen für einen marktwirtschaftlichen Klimaschutz .

Was muss man sich unter diesen „Rahmenbedingungen“ vorstellen? Im Folgenden werde ich (berufsbedingt) den Beitrag des Finanzmarktes in Hinblick auf die Finanzierung von Umweltmaßnahmen beleuchten – denn bekanntlich hängt alles am Gelde bzw. drängt alles zum Gelde.

Externe Effekte

Realwirtschaftlich gibt es sog. „externe Effekte“, die bspw. durch die Übernutzung des Gemeinschaftsgutes „Umwelt“ (Klima, Wasser, Luft, Boden) entstehen, deren Kosten die Gemeinschaft aber nicht vergütet bekommt. Diese Kosten werden nicht „internalisiert“, d.h. der Verursacher produziert günstiger auf Kosten der Gemeinschaft, die unter der Umweltverschmutzung leidet.

Angesichts dieses Marktversagens wird es zur Aufgabe des Staates, korrigierend einzugreifen. Dazu kann er mittels Verbote agieren, alternativ gibt es aber auch marktwirtschaftliche Instrumente. Aktuell werden eine CO2-Steuer und / oder ein CO2-Emissionshandel diskutiert. Für beide Ansätze gibt es gute theoretische (seit langem bekannte) Vorarbeiten und in beiden Fällen wird ein Preis geschaffen, der die ökologischen Folgen des Handelns sichtbar macht. Ausgestattet mit transparenten und preisrelevanten Informationen sind die Märkte nun in der Lage, ihre lenkende Rolle wahrzunehmen, indem sie Anreize für Verhaltensänderungen bei der CO2-Freisetzung setzen .

Realwirtschaftliche Chancen

Je teurer die Emission einer Tonne CO2 ist, desto eher werden aber auch Unternehmen bereit sein, in CO2-arme Technologien zu investieren. Die zusätzlichen Investitionskosten werden durch die eingesparten Kosten für nicht mehr emittiertes CO2 kompensiert. Zudem werden sich die Entwicklungskosten klimafreundlicher Technologien, gerade zu Beginn der Entwicklung, rasch amortisieren. Die für Deutschland so bedeutende Autoindustrie ist ein Beispiel dafür: ohne deren innovative Produkte ist eine Verkehrswende schwerlich denkbar. Aus der Entwicklung und Vermarktung von Technologien, welche dazu beitragen, dass künftig CO2-arm oder gar CO2-frei produziert bzw. konsumiert werden kann, ergeben sich mithin auch wirtschaftliche Chancen.

Finanzwirtschaftliche Risiken

Eine solchermaßen emissionsarme Wirtschaft erfordert hohe Anfangsinvestitionen. Da öffentliche Gelder knapp sind, entscheiden Finanzinstitute mit, welche Projekte finanziert werden und welche nicht. Herr Carney (Gouverneur der Bank of England) hat bereits 2015 darauf hingewiesen, dass das globale Finanzsystem eine Erderwärmung von 4 Grad Celsius finanziert – mithin das Doppelte dessen, was in Paris politisch vereinbart wurde! Diese Finanzierungen unterliegen aber einem beachtlichen Klimarisiko, da CO2-intensive Investments dann an Wert einbüßen werden, wenn Unternehmen ihr Geschäftsmodell verlieren und dadurch in geschäftliche Schwierigkeiten geraten.

Treten diese klimabezogenen Wertveränderungen plötzlich und massiv auf, wird das infolge von Abschreibungen Auswirkungen auf die Bilanzen der Banken haben – und damit auf die Finanzstabilität Deutschlands. Die korrekte Abbildung von Klimarisiken ist daher für ein angemessenes Risikomanagement von großer Bedeutung – und macht die Finanzierung klimaschädlicher Investitionen unattraktiv. Unternehmen, die künftig noch Klimarisiken ignorieren, hätten es schwer, an frisches Kapital zu gelangen.

Nachhaltige Geldanlagen

Und dann sind da noch die Anleger: für immer mehr von ihnen ist Rendite nicht mehr das Einzige, was zählt. Sie wollen auch das Gefühl haben, in eine bessere Welt zu investieren: Sinkende CO2-Emissionen, weniger Müll, bezahlbarer Wohnraum und Bildung für all e. So ist etwa d er Wert des Aktienindex MSCI World Socially Responsible (der Erfolg nachhaltigen Wirtschaftens hängt auch davon ab, ob in Bildung, Gleichstellung, gute Arbeitsbedingungen, faire Entlohnung und Gerechtigkeit investiert wird) gegenüber dem konventionellen MSCI World seit 2014 deutlich stärker gestiegen, um mehr als 30 Prozent. Grüne Geldanlagen werden die Welt wahrscheinlich so nachhaltig verändern wie die Klima-Bewegung „Fridays for Future“.

Anleihen, deren Verkaufserlös für umweltschutzrele vante Maßnahmen zweckgebunden ist (sog. „Green Bonds“ und „Transition Bonds“) , werden immer mehr von Privatanlegern nachgefragt. Werden solche Investitionen billiger finanziert (der Renditeabschlag beträgt ca. 0,02 Prozentpunkte) und dadurch mehr von ihnen umgesetzt, als ohne diese Anleihen, wäre das ein erfolgreicher, umweltpolitischer „Deal“. Aktuell ist aber das Angebot grüner Anlageformen deutlich geringer als die Nachfrage nach ihnen. Dieser Markt zieht zwar viel Aufmerksamkeit auf sich, dennoch führt er nur ein Nischendasein mit lediglich 2,5 % aller Bonds. Diese Gelder reichen derzeit daher noch nicht aus, um den riesigen Kapitalbedarf für wirksamen Umwelt – und Klimaschutz zu decken. Das wird sich aber ändern – zu gewaltig ist der gesellschaftliche Wandel , insbesondere hin zum Klimaschutz.

Fazit

Für eine entschlossene und wirksame Klimapolitik gibt es marktwirtschaftliche Instrumente, unterstützt durch ein Finanzsystem, das seine Anlagepolitik auf Nachhaltigkeitskriterien ausrichtet . Dadurch werden die Kapitalströme neu „kalibriert“, was Unternehmen und auch Staaten aus purem Eigeninteresse zum nachhaltig en Wirtschaften zwingt . Ansonsten drohen höhere Finanzierungskosten und/oder eine niedrigere Marktkapitalisierung – und der Verlust der gesellschaftlichen Akzeptanz.

Im Fokus stehen die drei grundsätzlichen Dimensionen des nachhaltigen Managements: ökologische Folgen, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung. Entsprechend formen sich zwischen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft neue Anforderungen heraus – und damit auch das Bedürfnis, Wertbeiträge der Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit durch vergleichbare Kennzahlen zu messen. Die Unternehmensleistung verlässt dam it den engen, wirtschaftlichen Blickwinkel – und das ist gut so.

Die Rahmenbedingungen für diesen Prozess – die ökologisch effektiv, ökonomisch wirksam und sozial verträglich zu gestalten sind – setzt die Politik, mithin auch wir, die Grünen. Natürlich können Sie uns (immer noch) als zu links bezeichnen. Oder als zu alternativ. Oder als zu ökologisch – aber bitte doch erst, nachdem Sie mit uns gesprochen haben. Wir freuen uns darauf .

Dr. Helmut Siegert

​Literaturempfehlungen:

(1) Externe Effekte

(2) Innovationen

(3) Klimarisiken

(4) Nachhaltige Geldanlagen

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