Straßenverkehr: Kleinostheim kann Initiative beitreten

Einstimmig hat der Hauptverwaltungsausschuss den Vorschlag der Grünen angenommen, der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeit“ beizutreten. 

Die Initiative setzt sich seit 2021 dafür ein, dass das Straßenverkehrsrecht auf Bundesebene so angepasst wird, dass die Kommunen den Handlungsspielraum haben, eine generelle Beschränkung auf Tempo 30 umzusetzen.

Kleinostheim könnte dann selbst darüber entscheiden, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden – im besten Fall auch auf der B 8.

Mehr Infos unter https://lebenswerte-staedte.de/

Carla Diehl, Gemeinderätin, Sprecherin des OV
carla.diehl@gruene-kleinostheim.de


Antrag: Beitritt zur Initiative „Lebenswerte Städte
durch angemessene Geschwindigkeiten

Datum: 24.04.2022

Lebendige, attraktive Städte und Gemeinden brauchen lebenswerte öffentliche Räume. Gerade
die Straßen und Plätze mit ihren vielfältigen Funktionen sind das Gesicht und Rückgrat der
Gemeinden. Sie beeinflussen ganz entscheidend, ob Menschen gerne in ihrem Ort leben. Der
Autoverkehr ist ein wesentlicher Indikator dafür. Tempo 30 macht die Straßen sicherer,
verursacht weniger Lärm und Emissionen und erhöht damit die Lebensqualität der
Bewohnerinnen und Bewohner. Gerade in der aktuellen Energiekrise kann Tempo 30 dazu
beitragen, Energie zu sparen.
Bei der Anordnung von Tempo 30 sind den Städten und Kommunen aber viel zu enge Grenzen
gesetzt.
Im Juli 2021 haben die Städte Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und
Ulm deshalb die Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ ins
Leben gerufen. Die Initiative setzt sich gegenüber dem Bund dafür ein, dass das
Straßenverkehrsrecht auf Bundesebene so angepasst wird, dass die Kommunen den
Handlungsspielraum haben, eine generelle Beschränkung auf Tempo 30 umzusetzen.
Kleinostheim könnte dann selbst darüber entscheiden, wann und wo welche Geschwindigkeiten
angeordnet werden – im besten Fall auch auf der B 8.
Das Anliegen trifft auf viel Zuspruch. Inzwischen haben sich mehr als 100 Städte und
Gemeinden der Initiative angeschlossen.
Der Klimawandel und die steigenden Energiepreise machen diese Initiative und eine
Mobilitätswende noch dringender. Und nach dem Regierungswechsel rückt das Ziel in greifbare
Nähe.
Auch die Gemeinde Kleinostheim sollte sich dieser Initiative anschließen.
Der Beitritt ist unkompliziert und kostenfrei und erfolgt in der Regel durch formlose Erklärung
eines/r politisch Verantwortlichen.
Mehr Infos unter https://lebenswerte-staedte.de/


Beschlussvorschlag:
Die Gemeinde Kleinostheim schließt sich der kommunalen Initiative „Lebenswerte Städte durch
angemessene Geschwindigkeiten“ an.


LEBENSWERTE STÄDTE DURCH ANGEMESSENE
GESCHWINDIGKEITEN – EINE NEUE KOMMUNALE INITIATIVE
FÜR STADTVERTRÄGLICHEREN VERKEHR

Die Städte und Gemeinden in Deutschland stehen beim Thema Mobilität und Verkehr vor
großen Herausforderungen. Eine stadt- und umweltverträgliche Gestaltung der Mobilität ist
Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Städte.

Lebendige, attraktive Städte brauchen lebenswerte öffentliche Räume. Gerade die Straßen
und Plätze mit ihren vielfältigen Funktionen sind das Aushängeschild, das Gesicht der
Städte. Sie prägen Lebensqualität und Urbanität.

Diesen Anspruch mit den Mobilitäts-, Erreichbarkeits- und Teilhabeerfordernissen von
Menschen und Wirtschaft zu vereinbaren, ist eine zentrale Aufgabe.

Ein wesentliches Instrument zum Erreichen dieses Ziels ist ein stadtverträgliches Geschwindigkeitsniveau
im Kfz-Verkehr auch auf den Hauptverkehrsstraßen. Dort produziert der Autoverkehr
in den Städten seine höchste Verkehrsleistung. Dort verursacht er aber auch die meisten
negativen Auswirkungen – von den Lärm- und Schadstoffbelastungen für die dort lebenden
Menschen über die Unfallgefahren bis zum Flächenverbrauch. Seit langem wissen wir,
dass im Hinblick darauf eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h erhebliche positive Auswirkungen
haben würde:

  • Die Straßen werden wesentlich sicherer, gerade für die besonders Gefährdeten, die zu
    Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs bzw. mobilitätseingeschränkt sind.
  • Die Straßen werden leiser – und das Leben für die Menschen, die an diesen Straßen wohnen,
    deutlich angenehmer und gesünder.
  • Bei Gewährleistung eines guten Verkehrsflusses kann auch die Luft in den Straßen sauberer
    werden, was allen zu Gute kommt, die hier unterwegs sind.
  • Die Straßen gewinnen ihre Funktion als multifunktionale Orte zurück, die mehr sind als
    Verbindungen von A nach B.
  • Und schließlich: die Straßen werden wieder lesbarer, Regeln einfacher und nachvollziehbarer
    (kein Flickenteppich mehr), das Miteinander wird gestärkt, der Schilderwald gelichtet.

Die Leistungsfähigkeit für den Verkehr wird durch Tempo 30 nicht eingeschränkt, die Aufenthaltsqualität dagegen spürbar erhöht. Und auf die Länge des Straßennetzes bezogen ist Tempo 30 in den allermeisten Städten ohnehin schon längst die Regel und nicht mehr die Ausnahme.

Dies heißt auch: Tempo 30 ist eine Maßnahme für die Städte und Gemeinden und die Menschen, die dort wohnen – es ist keine Maßnahme, die sich gegen den Autoverkehr richtet.

Deshalb muss das Straßenverkehrsrecht zulässige Höchstgeschwindigkeiten innerorts (30 km/h als Regel, andere Geschwindigkeiten je nach örtlichen Gegebenheiten und Erfordernissen als Ausnahme) neu regeln. Die Kommunen haben immer noch nicht die Möglichkeit zu entscheiden, wann und wo Geschwindigkeiten flexibel und ortsbezogen angeordnet werden.

Die zulässige Höchstgeschwindigkeit muss endlich überall über die zuständigen Straßenverkehrsbehörden so angeordnet werden können, wie es unter Abwägung aller relevanten umwelt-, verkehrs- und städtebaubezogenen Belange angemessen ist. Dies nutzt den Städten, erweitert ihre Gestaltungsfreiheit und öffnet ihre Entwicklung in Richtung mehr Lebendigkeit, Lebensqualität und Nachhaltigkeit.

Die Städte und Gemeinden brauchen einen neuen straßenverkehrsrechtlichen Rahmen, der es ihnen ermöglicht, Tempo 30 als verkehrlich, sozial, ökologisch und baukulturell angemessene Höchstgeschwindigkeit dort anzuordnen, wo sie es für sinnvoll erachten – auch für ganze Straßenzüge im Hauptverkehrsstraßennetz und ggf. auch stadtweit als neue Regelhöchstgeschwindigkeit.

Diese Forderung ist alles andere als radikal – sie ist anderswo in Europa längst umgesetzt und bewegt sich auch in Deutschland in einem Umfeld von aktuellen politischen Positionierungen, die die Dringlichkeit dieser Anpassung des Rechtsrahmens unterstreichen:

  • Der Deutsche Bundestag hat am 17.01.2020 in seiner mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen
    angenommenen Entschließung „Sicherer Radverkehr für Vision Zero im Straßenverkehr“
    einen eindeutigen Auftrag an den Bund formuliert, den Kommunen die Möglichkeit
    zu eröffnen, von der innerörtlichen Regelhöchstgeschwindigkeit von 50 km/h nach
    eigenem Ermessen auch auf Hauptverkehrsstraßen abzuweichen, wenn es den stadtpolitischen
    Zielen dient. So wird in der Entschließung u. a. gefordert, „es Kommunen durch
    eine Veränderung der gesetzlichen Vorgaben zu erleichtern, innerorts die Geschwindigkeitsbegrenzung
    von Tempo 30 km/h für ganze Straßen unabhängig von besonderen
    Gefahrensituationen anzuordnen“.
  • Die Verkehrsministerkonferenz der Länder (VMK) hat am 16.04.2021 zum
    Tagesordnungspunkt „Sicherheit und Attraktivität des Fußverkehrs“ den Bund
    einstimmig aufgefordert, die in einer Ad-Hoc-AG der VMK erarbeiteten Vorschläge „im
    Rahmen einer zeitnahen Novellierung des Rechtsrahmens, insbesondere von StVO, der
    VwV-StVO und Straßenverkehrsgesetz, in Abstimmung mit den Ländern ggf. zu
    berücksichtigen“. Zu diesen Vorschlägen gehört u. a. eine Ergänzung des § 39 StVO
    („Innerhalb geschlossener Ortschaften ist auch auf Vorfahrtsstraßen (Zeichen 306) mit
    einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von weniger als 50 km/h zu rechnen“) und ein
    Modellversuch zur Umkehrung der Regelgeschwindigkeit innerorts von 50 km/h auf 30
    km/h.
  • Das Bundeskabinett hat seiner Sitzung am 23.04.2021 einen neuen Nationalen Radverkehrsplan (NRVP) beschlossen, u. a. mit der Feststellung, dass es bedeutsam ist, “in Mischverkehren Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Verkehrsteilnehmenden zu reduzieren“. Damit liefert der Bund eine weitere Begründung, Tempo 30 auch im Hauptverkehrsstraßennetz anzuordnen.
  • Das am 29.04.2021 veröffentlichte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz des Bundes formuliert zudem einen klaren Handlungsauftrag an den Bund:
    Er muss so rasch wie möglich alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Maßnahmenergreifen, um auch die Mobilitäts- und Verkehrswende voranzutreiben. Auch wenn niedrigere innerörtliche Höchstgeschwindigkeiten nur in geringem Umfang direkten Einfluss auf die CO2-Emissionen haben: Sie sind ein zentrales Element einer Stadtverkehrspolitik, die die Nutzung der Verkehrsmittel des Umweltverbundes stärken und damit auch die klimaschädlichen Auswirkungen des Autoverkehrs verringern will.

Bei der Forderung, die Handlungsspielräume der Städte bei der Anordnung von Tempo 30 im Hauptverkehrsstraßennetz der Städte zu vergrößern, geht es nicht um eine undifferenzierte und pauschale Maßnahme. Die Änderung des Rechtsrahmens soll deshalb durch ein vom Bund gefördertes und zentral evaluiertes Modellvorhaben in mehreren Städten begleitet werden. Das Modellvorhaben ermöglicht, verschiedene Aspekte vertieft zu untersuchen, die genauerer Betrachtung bedürfen. Das hilft, bei der Anwendung des neuen Rechtsrahmens etwaige negative Begleiteffekte der Neuregelung minimieren zu können bzw. ggf. rechtlich nachzusteuern. Das Modellvorhaben kann u. a. folgende Themen umfassen:

  • Der straßengebundene ÖPNV darf durch niedrigere zulässige Höchstgeschwindigkeiten im Hauptverkehrsstraßennetz nicht signifikant benachteiligt werden. Es soll untersucht werden, in welchem Umfang solche Nachteile auftreten (z. B. Reisezeit, Auswirkungen auf betriebliche Kosten) und mit welchen Maßnahmen sie kompensiert werden können.
  • Auf vielen Hauptverkehrsstraßen kann aus Platzgründen nicht oder nur mit erheblichem zeitlichem Vorlauf eine ausreichend dimensionierte separate Radverkehrsinfrastruktur geschaffen werden. Die Anordnung von Tempo 30 kann hier (auch als Zwischenlösung) bei Mischverkehr bzw. nicht ausreichenden Infrastrukturangeboten (z. B. Schutzstreifen) die Sicherheit erhöhen. Dazu fehlt es aber bislang an belastbaren Untersuchungen.
  • Tempo 30 im innerörtlichen Hauptverkehrsstraßennetz soll nicht zu Verdrängungseffekten mit einer erhöhten Belastung untergeordneter Straßen führen.
    Besondere Bedeutung hat deshalb ein störungsarmer Verkehrsfluss. Es können ggf. aber auch ergänzende regulierende Maßnahmen im Nebennetz sinnvoll sein (z. B. Höchstgeschwindigkeiten < 30 km/h, Umgestaltung von Quartiersstraßen nach dem Vorbild von „Superblocks“ und anderes).

Erklärung

Die für Mobilität und Stadtentwicklung zuständigen Beigeordneten, Bürgermeister:inen und
Stadtbaurät:innen der unterzeichnenden Städte erklären daher:

  1. Wir bekennen uns zur Notwendigkeit der Mobilitäts- und Verkehrswende mit dem Ziel, die
    Lebensqualität in unseren Städten zu erhöhen.
  2. Wir sehen Tempo 30 für den Kraftfahrzeugverkehr auch auf Hauptverkehrsstraßen als
    integrierten Bestandteil eines nachhaltigen gesamtstädtischen Mobilitätskonzepts und
    einer Strategie zur Aufwertung der öffentlichen Räume.
  3. Wir fordern den Bund auf, umgehend die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen,
    dass die Kommunen im Sinne der Resolution des Deutschen Bundestags vom 17.01.2020
    ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort
    anordnen können, wo sie es für notwendig halten.
  4. Wir begrüßen ein vom Bund gefördertes begleitendes Modellvorhaben, das wichtige Einzelaspekte
    im Zusammenhang mit dieser Neureglung vertieft untersuchen soll (u. a. zu den
    Auswirkungen auf den ÖPNV, zur Radverkehrssicherheit und zu den Auswirkungen auf das
    nachgeordnete Netz), um ggf. bei den Regelungen bzw. deren Anwendung nachsteuern zu
    können.

Juli 2021

Erstunterzeichnende:

  • Prof. Dr. Martin Haag Stadt Freiburg im Breisgau, Bürgermeister
  • Thomas Dienberg Stadt Leipzig, Bürgermeister und Beigeordneter
  • Frauke Burgdorff Stadt Aachen, Stadtbaurätin und Beigeordnete
  • Gerd Merkle Stadt Augsburg, Baureferent
  • Thomas Vielhaber Landeshauptstadt Hannover, Stadtbaurat
  • Robin Denstorff Stadt Münster, Stadtbaurat und Beigeordneter
  • Tim von Winning Stadt Ulm, Bürgermeister

„Beitritt“ zur Initiative

Vorbemerkung:
Der „Beitritt“ erfolgt in der Regel durch formlose Erklärung eines/r politisch Verantwortlichen
(Beigeordnete(r) oder Bürgermeister(-in)). Dies kann aber auch genauso durch die
Übermittlung eines entsprechenden Gemeinderats-/Stadtratsbeschluss (mit Unterschrift)
erfolgen.
Die beiden folgenden Varianten sind demnach als Muster zu verstehen, die Sie gerne
nutzen können.
Für weitere Fragen stehen Ihnen die Kolleginnen und Kollegen der Geschäftsstelle der
Initiative zur Verfügung.

Stadt Leipzig
Dezernat für Stadtentwicklung und Bau
Geschäftsstelle der Initiative „Lebenswerte Städte und angemessene Geschwindigkeiten“
04092 Leipzig
Initiative@lebenswerte-staedte.de

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