Haushaltsrede: Lasst uns mehr Visionen wagen

Lasst und mehr Visionen wagen

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,

zunächst möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktionskolleginnen Sabine Dornberg und Carla Diehl für die gewissenhafte Aufstellung des Haushaltsplans bei der Verwaltung bedanken, vor allem bei Herrn Selnau, der für jede Frage ein offenes Ohr hatte.

Bei der Vorbereitung meiner Haushaltsrede habe ich mir folgende grundlegende Frage gestellt:
Was ist die Funktion und was sind die Aufgaben eines Haushaltsplans?

Die Heinrich-Böll-Stiftung fasst die Antworten unter vier Begriffen zusammen:
Planung, Handlungsgrundlage für die Verwaltung, Information sowie Steuerung und Kontrolle.

Lassen Sie mich kurz diese Begriffe auf uns und unseren Haushaltsplan übertragen:

Die Planung

Natürlich beschreibt schon das Wort Planung den wesentlichen Inhalt, nämlich eine im besten Fall vorrausschauende Planung im Umgang mit den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln oder neudeutsch „Ressourcen“. Der Plan dokumentiert die Pflichtaufgaben, die von der Verwaltung umgesetzt werden müssen.
Aber er gibt auch wider, in welche Richtung wir uns bewegen wollen und können. Im besten Fall zeigt ein Haushaltsplan, welche Ziele eine Gemeinde – ihre Verwaltung, ihr Gemeinderat und natürlich die Bürgerinnen und Bürger – hat.

Wir von der grünen Fraktion freuen uns sehr, dass unsere Ideen für ein klimafreundlicheres und lebenswerteres Kleinostheim teilweise umgesetzt wurden und sich auch im jetzigen Haushaltsplan wiederfinden: Sei es die Einstellung unseres Klimaschutzbeauftragten Benjamin Warganz, sei es die Förderrichtlinie oder auch die Sanierung des Vitamars.

Ich komme zum 2 Punkt:

Der Haushaltsplan ist die Handlungsgrundlage für die Verwaltung

Erst der verabschiedete Haushalt ermächtigt die Verwaltung zu handeln. D. h. Ausgaben zu tätigen.
Abweichend davon hat der Gemeinderat erst jüngst der Verwaltung freie Hand bei der Auftragsvergabe gelassen. Wir haben aus gutem Grund mehrheitlich dafür gestimmt. Trotzdem sollte das eine Ausnahme bleiben. Der Gemeinderat sollte immer überlegen, wann und ob er seine Entscheidungsmacht abgibt.

Der dritte Punkt:

Information

Der Haushaltsplan informiert die Öffentlichkeit darüber, was wir müssen, können und auch wollen. Wo uns Grenzen gesetzt sind und welche Projekte Priorität haben. Der Haushaltsplan ist für Laien nicht einfach zu verstehen. Informationen darüber, warum und wie wir und die Verwaltung handeln, kann grundsätzlich helfen, Verständnis für finanzielle Entscheidungen zu wecken und auch, überzogene Wünsche und Forderungen einzudämmen.

Transparenz schafft Akzeptanz. Hier können wir alle sicher noch mehr tun.

Der letzte Punkt:

Steuerung und Kontrolle

Planungen sind nur sinnvoll, wenn sie nachvollziehbar sind und kontrolliert werden.

Das ist eine originäre Aufgabe des Gemeinderats: hinschauen, fragen und kontrollieren, ob sich die Verwaltung an die beschlossenen Vorgaben hält.

Das hat nichts mit Misstrauen zu tun, sondern mit unserem Auftrag, den wir als Ehrenamtliche von den Bürgerinnen und Bürgern bekommen haben.

Wie die Öffentlichkeit sind auch wir Laien. Ob bei technischen, baurechtlichen oder auch verwaltungsrechtlichen Themen. Wir fragen nach, weil wir es wissen und verstehen wollen.

Je transparenter der Haushaltsplan oder auch jede andere Entscheidung ist, desto weniger Fragen tauchen auf.

Kurz: Wir wollen die Verwaltung mit unseren Fragen nicht ärgern. Auch das ist mir und uns wichtig, heute zu sagen. Wir stellen Fragen, die vielleicht auch die Bürgerinnen und Bürger haben. Das ist unsere Aufgabe. Auch die Frage: Was steckt hinter den Zahlen, was steckt im Haushaltsplan?

Und damit komme ich zum ersten Punkt zurück: Zur Planung

Planung bedeutet für unsere Fraktion mehr als ein Blick auf die finanziellen Möglichkeiten. Und die sind ja dankenswerterweise noch gut.

Planung bedeutet für uns Weitsicht, Perspektive, langfristige Strategien.

Ob beim Verkehr, beim Wohnungsbau, bei der Begrünung, bei der B 8 oder bei der Abwägung zwischen notwendigen Einnahmen durch Gewerbesteuern und der Frage „Wollen wir immer mehr Gewerbegebiete im Ort?“ Vielleicht müssen wir in Zukunft immer öfter schnelle Entscheidungen treffen? Dann ist es gut, eine langfristige Strategie in der Schublade zu haben.

Unser Wunsch an alle Gemeinderätinnen, Gemeinderäte und die Verwaltung ist deshalb: Lassen Sie uns mehr Visionen wagen. Lassen sie uns immer wieder gemeinsam die Frage stellen: Wo wollen wir in 10 Jahren stehen? Welchen Ort möchten wir der nachfolgenden Generation hinterlassen?

Über die Strategie werden wir uns sicher nicht immer einig sein. Das liegt in der Natur der Sache. Was für den einen ein unwichtiges Thema ist, ist für die andere ein entscheidender Faktor. Ist es ein Baum oder eher ein sanierungsbedürftiger Kanal? Ist es fehlender Wohnraum oder sind es Parkplätze? Sind es die Kinder oder eher die Senior*innen? Ist es die Feuerwehr oder ein Sportverein? Jede und jeder von uns hat seine eigenen Prioritäten, seine persönlichen Kontakte im Ort und seine eigene Meinung dazu, was wichtig und was unwichtig ist. Das macht einen lebendigen Gemeinderat aus. „Habt Ihr keine anderen Probleme?“ – Dieser Satz sollte in einem so vielfältigen Gremium nicht mehr fallen.

Die Debatten im Gemeinderat waren in den vergangenen Monaten über Parteigrenzen hinweg oft konstruktiv, inspirierend und zielführend. Das freut uns sehr. Das macht Gemeinderatsarbeit aus und dann wissen wir, warum wir genau dieses Ehrenamt gewählt haben.

Vielen Dank

Friedolf Bickel
für die Fraktion der Grünen/Bündnis 90, OV Kleinostheim
Kleinostheim, 30. März 2023


Haushalt-…
Planung: Dies drückt sich schon in der Bezeichnung Haushaltsplan aus. Die Haushalts- und Finanzplanung unterscheidet sich von anderen Fachplanungen dadurch, dass sie sehr umfassend einen gesamten Bereich (das Finanzwesen) erfasst, jährlich fortgeschrieben werden muss und dabei einer Vielzahl weiterer Regelungen z. B. zu Aufbau und Struktur unterliegt (siehe Aufbau des Haushalts, Haushaltssystematik).
Handlungsgrundlage für die Verwaltung: Der verabschiedete Haushalt ermächtigt erst die Verwaltung, Ausgaben bzw. Auszahlungen zu tätigen. Durch die Verabschiedung des Haushalts übt die kommunale Vertretungskörperschaft ihr Budgetrecht aus. Damit schafft der Haushalt lokales Recht (Haushaltssatzung). Neben der Bindungswirkung nach innen (zwischen Rat und Verwaltung) entfaltet der Haushalt auch eine Bindungswirkung nach außen, z. B. über die Festlegung der Hebesätze der Realsteuern. Die Ausgabeansätze im Haushalt begründen jedoch keine Rechte Dritter, niemand kann Ansprüche an die Kommune aus dem Haushalt begründen; dafür ist eine individuelle Verpflichtung erforderlich, z. B. ein Bewilligungsbescheid oder ein Vertrag.
Information: Der Haushalt dient der Vertretungskörperschaft, der Verwaltung und allen Interessierten als Informationsquelle über alle geplanten Maßnahmen mit finanziellen Auswirkungen. Er soll Transparenz herstellen, was sich ebenfalls in den Vorschriften über Aufbau und öffentliche Auslegung niederschlägt. Siehe hierzu weiter unten: Transparenz und Beteiligung
-Steuerung und Kontrolle: Durch den Haushalt steuert der Rat wesentliche Teile der Verwaltungstätigkeit. Der Haushalt und das mit ihm verbundene Berichtswesen ermöglichen es dem Rat wie der Öffentlichkeit, detailliert nachzuvollziehen, ob und wieweit sich die Verwaltung an die Vorgaben gehalten hat. Hierzu dienen auch Jahresabschluss und Rechnungsprüfung.

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