Neues Klimaschutzgesetz in Bayern ist nicht ausreichend

In der vergangenen Woche hat der bayerische Landtag das Klimaschutzgesetz für Bayern verabschiedet. Das war Anlass für unseren Landtagsabgeordneten Patrick Friedl, dieses Gesetz einer grundlegenden Kritik zu unterziehen und klarzulegen, welche Maßnahmen seitens der Kommunen angegangen werden können. Bei einer Videokonferenz waren vom Ortsverband Kleinostheim Olav Dornberg, Benjamin Brand und Tino Fleckenstein dabei.
Vor der Behandlung des Gesetzentwurfes im Landtag waren Stellungnahmen von Fachverbänden eingeholt worden, deren Änderungsvorschläge aber nicht übernommen wurden. Selbst in der Expertenanhörung, zu der jede Fraktion Fachleute bestellen konnte, wurde der Gesetzesentwurf einhellig kritisch gesehen. Selbst die von der CSU bestellten Expert*innen sahen dies so. Auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) schätzt die fehlende Klarheit des Gesetzentwurfes kritisch ein, da damit keine Vorgabe für die notwendigen Investitionen zum Klimaschutz für die Zukunft ableitbar seien.
Im Großen und Ganzen fehlen in diesem Gesetz, so Patrick Friedl, verbindliche Regelungen und ein Bezug auf internationale Klimaziele. Eine Klimaneutralität für Bayern bis 2050 sei zu spät.
Wichtig wäre ein zeitnahes Monitoring. So soll zwar alle zwei Jahre ein Bericht des Umweltministers über den Stand zum Klimaschutz vorgelegt werden. Das aber tritt erst 2025 in Kraft – zu spät bei der aktuellen Klimaentwicklung. Die Grünen forderten hier einen jährlichen Bericht, um dann ggf. nachsteuern zu können. Was bleibt angesichts dessen auf kommunaler Ebene zu tun? Hier wären lokale Klimaschutzprogramm mit klaren Zielen und Maßnahmen zu definieren.
Die Grünen hatten ein Bayerisches Klimaschutzgesetz in den Landtag eingebracht. Dazu unter folgendem Link weitere Informationen: https://www.martin-stuempfig.de/klimaschutz/bay-klimagesetz.html


Presseartikel zu der Expertenbefragung:

Stellungnahmen von Experten/Verbänden zum Gesetz:

Presseartikel zum Gesetz:


Meinung von Benjamin Brand zu dem „Klimaschutzgesetzt“ der Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern:

Das 2018 zum ersten Mal von den Grünen eingebrachte und 2019 angepasste Klimaschutzgesetz für Bayern wurde durch das jetzt verabschiedete Gesetz komplett entkernt. Es ist eine leere Hülle ohne den wichtigen Inhalt. Um nur eine Beispiel zu nennen, das Gesetz der Grünen schreibt, ab 10000 Einwohner, eine verbindliche Wärmeplanung vor. Bei der Staatsregierung Sollen die Kommunen von der Landesenergieagentur dabei unterstützt werden. Wenn sie es nicht machen ist es aber auch gesetzeskonform. Auch wurden von der Staatsregierung keine Zusagen zu finanzieller Unterstützung der Kommunen gemacht. Es liegt also an der Kompetenz und Finanzlage vor Ort, ob Klimaschutz angegangen wird.

Jeder kann sich das selbst ansehen. Hier ist das Gesetz der Staatsregierung (Stand 12.05.20) und hier der Entwurf der Grünen von 2019. Da praktisch nichts am Gesetz verändert wurde ist der Stand vom Mai zum Vergleich ausreichend.

Wie auch bei der Expertenanhörung am 25.09.20 von vielen der geladen Experten bemängelt, fehlt es an klaren Vorgaben und zu schauen ob die Maßnahmen auch etwas bringen (Monitoring).
Konkret: Wie sollen den Stadtwerke ihre Wärmeversorgung umstellen wenn nicht klar ist, was die Anforderungen sind und wie eigentlich der Ist-Stand aussieht? Solche Investition sind in der Summe hoch und sehr langfristig, da sagt man nicht nach fünf Jahren: „Wir machen das komplett anders“. Solche Entscheidungen für neue Kraftwerke oder Wärmeversorgung bilden die Basis für die nächsten 20-40 Jahre. Wenn hier Fehlentscheidungen, durch fehlende Vorgaben im Klimaschutzgesetz, gemacht werden ist, ist das richtig teuer, wenn dann später Nachgebessert werden muss.

Ganz abstrus wird es bei Art.10 des Bayerischen Klimaschutzgesetzes. Hier wird eine Einklagbarkeit des Gesetzes ausgeschlossen. Ist ein Gesetz nicht eine Rechtsnorm, die bei Nichtbeachtung eben die Möglichkeit bietet, ihre Einhaltung einzuklagen? Vielleicht wäre es besser gewesen statt eines, laut Experten, kaum brauchbaren Gesetzes einfach eine Pressemitteilung zu machen, dass man mehr für den Klimaschutz tun möchte. Für ein wirksames Gesetz muss man bei anderen Parteien, wie z.B. den Grünen schauen.

CO2-Budget für Kleinostheim

Um das im Pariser Klimaabkommen 2015 erklärte Ziel, die menschengemachten globalen Erderwärmung auf deutlich unter 2°C, wenn möglich unter 1,5 Grad zu senken, wird international für jede/n Einwohner*in ein CO2-Budget zu einem Stichtag angegeben. Wir gehen hier vom 01.01.2020 aus. Über die Einwohnerzahl von Kleinostheim (8215 Einwohner*innen) ergibt sich ein Rest-Budget von knapp 415.600 Tonnen CO2 für das 1,5-Grad-Ziel.
Wie wir das Enddatum und den Weg dahin gestalten, ist politisch verhandelbar aber nur unter der unumstößlichen Festlegung, dass das CO2-Budget nicht überschritten wird. Falls jemand das „2°C-Ziel der Bundesregierung“ vermisst – das ist nicht kompatibel mit dem Pariser Klimaabkommen und somit hinfällig.

Abbildung 2-6 Seite 54 aus dem Umweltgutachten 2020 des Sachverständigenrats der Bundesregierung „Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“

Ergänzungen zu diesem Absatz: Das Thema CO2-Budget und CO2-Reduktionspfade ist zu komplex um es ohne starke Verkürzung im Blättche zu behandeln. Daher wird jetzt hier einiges an Erklärungen und Ergänzungen dazu kommen.

  1. Auch ein 1,75°C-Ziel ist noch pariskompatibel. Warum wir es trotzdem nicht anstreben sollten, erkläre ich, nachdem geklärt wurde wo diese Temperaturziele herkommen und wie sie ermittelt wurden.
  2. Woher kommt das 1,5 und 1,75°C-Ziel? Sie sind aus dem Bericht des Weltklimarates (IPCC) bzw. dem Paris-Abkommen
  3. Wie wurden sie ermittelt? Diese Werte wurden durch tausendfache Berechnung mit Klimamodellen ermittelt. Man nennt dies dann eine „Klima-Projektion“. Eine genau perfekte Berechnung des Weltklimas in 30 Jahren kann es nicht geben, dessen sind sich auch die Forscher bewusst und geben zu den Zielen noch Wahrscheinlichkeiten an. Beim 1,5°C-Ziel sind es 50 % Wahrscheinlichkeit, dass die Temperatur diesen Wert nicht überschreitet, beim 1,75°C-Ziel sind es 67 %.
  4. Was bedeutet das? Bei dem für die Ziele hinterlegtem Treibhausgas-Ausstoß besteht, bei den tausenden von Berechnungen, die bei den Zielen angegeben Wahrscheinlichkeit, dass sie erreicht werden. Man könnte auch 95%-Ziele angeben, dann würden die CO2-Menge aber nochmals kleiner ausfallen.
  5. Kann man den Klima-Projektionen trauen? Ja. Für die Projektionen werden nur die Klimamodelle eingesetzt, die mit Daten vergangener Jahrzehnte auch die tatsächlich eingetreten Veränderungen des Klimas in dieser Zeit richtig darstellen konnten. Ein kurzer aber guter Artikel zu Vorhersage ist beim Heise-Verlag zu finden.
  6. Warum sollten wir auf das 1,5°C gehen und nicht auf das 1,75°C obwohl wir dann mehr CO2 ausstoßen dürften? Weil es Kipppunkte (siehe Verlinktes Dokument des Umweltbundesamtes) im Klimasystem gibt. Einige dieser Kipppunkte könnten schon bei 1,75°C überschritten werden Siehe Abb.2 auf der Seite 2. Noch dazu kommt, dass der Klimawandel eher schneller als langsamer von Statten geht. Siehe FAZ, Der Standard, Energiezukunft.eu, energie-klimaschutz.de. Die Risiken und somit Kosten für die nächsten Generationen sind somit viel zu hoch falls es nicht klappt das 1,5°C-Ziel zu erreichen.
  7. Warum gibt es kein festes Enddatum? Das mit dem Enddatum ist schwierig. Meist wird vereinfachend angenommen, man reduziert die Treibhausgase linear (so wie es in der Abbildung 2-6 auf Seite 54 auch dargestellt ist), dann käme man auf ein Enddatum von ungefähr 2038 für Deutschland. Da stört jetzt die Realität etwas 🙂 Wir haben Emissionen, die bekommen wir gar nicht weg. In der Landwirtschaft wird es immer Emissionen geben, z.B. durch Bodenbearbeitung oder Reisanbau. Man kann die reduzieren, in dem man andere Anbautechniken verwendet aber auf Null kommt man nicht.Diese Emissionen müssen dann aber ausgeglichen werden (CO2-Abscheidung, Humusaufbau, Wiedervernassung von trockengelegten Mooren, usw…) man spricht dann von „Netto-Null“ bei den Emissionen. Auch bei den Emissionen gilt, grob gesagt, die 80/20 Regel. 80 % der Emissionen sind relativ leicht einzusparen, die letzten 20 % sind eine deutlich größere Herausforderung. Hierdurch macht ein lineares Absinken der Emissionen keinen Sinn. Am Anfang muss sehr stark reduziert werden, später wird es dann, durch die Schwierigkeit der Reduktion, automatisch weniger. In Deutschland wäre z.B. die Stilllegung der Kohlekraftwerke bis 2030 (mit einem einem guten Anteil schon bis 2025) so etwas, das schnell viel einsparen würde. Die Grundstoffchemie, ist deutlich komplexer und da würden auch große Mengen an Wasserstoff gebraucht, daher kommt das erst nach 2035 dran. Trotzdem wird oft ein Enddatum genannt. Das liegt daran, dass man vereinfachend eine Gerade in das Diagramm der Emission einzeichnet, die sich am Rest-CO2-Budget orientiert. Hier in der Grafik sieht man den Unterschiede recht gut bei den beiden unteren Diagrammen.
Abbildung 2-2 aus dem Umweltgutachten 2020 des Sachverständigenrats der Bundesregierung „Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“

Rahmenbedingungen für die Umsetzung:
Aber welche Rahmenbedingungen braucht es, um mit diesen abstrakten CO2-Zahlen effektiven Klimaschutz hier vor Ort zu ermöglichen?
1. Der CO2-Ausstoß für Kleinostheim ist zu erfassen.
2. Der Zielzeitpunkt muss festgelegt werde, bis wann wir auf null sein wollen.
3. Davon ausgehend sollten Zwischenziele festgelegt werden.
4. Maßnahmen müssen festgelegt werden, um diese Ziele zu erreichen.
5. Im Haushalt sollte ein Budget dafür vorgesehen werden.
5. Die tatsächliche CO2-Minderung muss überwacht werden.
6. Alle ein bis zwei Jahre muss die Zielerreichung überprüft werden.
7. Wenn Ziele nicht erreicht werden oder der Zielpfad weit von der Realität abweicht, ist nachzubessern.

Werkzeuge für die Verwaltung:
Gibt es hierfür „Werkzeuge“, die das einer Kommune ermöglichen? Ja, die gibt es. Energienutzungspläne/Energiekonzepte oder Klimaschutzkonzepte können das bei richtiger Ausgestaltung leisten. Hinzu kommen, als sehr wichtige Punkte, die kommunale Wärmeplanung, aber auch Klimaschutzteilkonzepte, die sich nur mit einzelnen Aspekten, etwa dem Verkehr, beschäftigen. Die Bayerische Staatsregierung hat in diesem Bereich die Kompetenz, solche Planung gesetzlich zu verankern und auch die entsprechenden Mittel bereit zu stellen. Hierzu mehr in einem späteren Artikel.
In Dänemark gibt es seit Ende der 1970er Jahre eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung mit dem Ergebnis, dass Dänemark europaweit mit Abstand führend ist.



TV-Tipp: Zur Themenwoche „Wie wollen wir leben“ hat die ARD den vielbeachteten und Fakten-intensiven Film „Ökozid“ gezeigt (siehe ARD-Mediathek).


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