Eine Kerze für jedes Tier 30/12/201903/01/2020 Zufriedene Tiere und hart arbeitende Menschen / Ein Besuch auf dem Luisenhof Es riecht nach frischem Heu. Das ist das erste, was auffällt. Und es ist ruhig. Keine quiekenden Schweine, keine brüllenden Rinder, keine schreienden Menschen. Wir sind auf dem Luisenhof in Eschau. Hier betreibt die Familie Roth in vierter Generation Landwirtschaft. Der Aussiedlerhof liegt zwischen Feldern und Wiesen am Waldrand. 130 Hektar bewirtschaftet die Familie, rund 120 Tiere leben hier, vor allem Rinder, Schweine und Bisons. Ein Idyll. Nichts erinnert an die düsteren Bilder aus industrieller Tierhaltung, quälenden Transportwegen und Schlachtungen am Fließband. Hier leben die Tiere art- und tiergerecht, das meiste Futter kommt aus eigenem Anbau, und das Fleisch wird direkt im Hofladen verkauft. Teurer als im Supermarkt, dafür in hoher Qualität. Der Stall, in dem wir stehen, ist gut durchlüftet und sauber. In kleinen Gruppen stehen, liegen und fressen hier Rinder der südfranzösischen Rasse Blonde d’Aquitaine. Ab Frühsommer grasen die Tiere auf der Weide. Sie sind nicht enthornt, die Kälber werden von den Mutterkühen mehrere Monate lang gesäugt und immer wieder werden die Gruppen neu gemischt. „Es ist wichtig, die Tiere zu beobachten, sie zu kennen“, sagt Regina Roth. Wenn sie die Rangfolge der Tiere kennt, kann sie die schwachen fördern und schützen. Draußen vor dem Rinderstall liegen in einem Gehege dunkelbraune Schweine aneinandergekuschelt und schlafen. Entspannt – wie die gesamte Atmosphäre auf dem Hof. Es sind Duroc-Schweine, eine robuste amerikanische Rasse mit kleinen Würfen. „Sie lieben es, draußen zu sein“, erklärt Emil Roth, Reginas Vater. Und sie müssen auf Stroh gehalten werden. Auf Spaltenböden gehaltene Tiere haben nicht nur Schmerzen, sondern atmen den ganzen Tag ihre eigene Gülle ein. Auf dem Luisenhof können die Schweine in einem großzügigen Gehege herumlaufen und sich suhlen. „Bewegtes Fleisch“, nennt es Emil Roth. Nicht nur das macht die Qualität aus. Auch der fehlende Stress macht das Fleisch zu einer Delikatesse. Denn die Familie Roth schlachtet selbst. Ihre Tiere kommen auf dem Luisenhof zur Welt, wachsen artgerecht im Familienverband auf und werden in ihrer gewohnten Umgebung möglichst angst- und stressfrei geschlachtet. Ruhig gehe es dabei zu, ohne Hektik, erzählt Emil Roth. „Ich kann doch ein Tier nicht zwei Jahre füttern und es dann auf seinem letzten Weg misshandeln.“ Für jedes geschlachtete Tier entzündet die Familie am Schlachttag eine Kerze. Aus Dankbarkeit, „dass es uns unseren Lebensunterhalt sichert“. Wir laufen an einigen Feldern und Wiesen vorbei zum Bisongehege. Es ist kalt und windig. Die rund 30 Bisons, die dicht an dicht in der kalten Winterluft stehen, scheint das nicht zu stören. Die imposanten Wildtiere brauchen keinen Stall, und sie lieben die Kälte, erklärt Emil. Wegen ihres Stoffwechsels geben sie vergleichsweise wenig Fleisch, dafür aber besonders gutes. Auf 20 Tiere muss die Herde allerdings reduziert werden. Wegen der heißen Sommer brauchen die Tiere viel frisches Leitungswasser. Das ist teuer. Und das ist nicht das einzige Problem, mit dem die Familie zu kämpfen hat. Fern jeder Landleben-Romantik machen ihnen EU-Verordnungen, die Subventionspolitik und die Klimaveränderungen zu schaffen. „Es ist ein schwieriges Geschäft, sagt Regina Roth. Auf der einen Seite drücken Discounter und Großproduzenten die Preise, auf der anderen Seite scheuen viele Verbraucher den langen Weg zu weit entfernten kleinen Betrieben. „Direktvermarktung ist kein Selbstläufer“, sagt Regina Roth und hofft, dass Mundpropaganda und Öffentlichkeitsarbeit die Direktvermarkter stärkt. Auch ihr Vater setzt auf ein Umdenken bei den Menschen. „Grundnahrungsmittel werden heute verramscht. Wenn wir irgendwann 50 von 100 Leuten erreichen, ist schon viele gewonnen.“ Mehr Infos zum Luisenhof unter www.luisenhof-spessart.de Weitere Direktvermarkterhöfen unter www.einkaufen-auf-dem-Bauernhof.com sowie unter www.hofladen-bauernladen.info/in/landkreis-aschaffenburg_k111/ Den Einkaufsratgeber fair-bio-regional gibt es im Rathaus Aschaffenburg oder unter www.aschaffenburg.de/einkaufsratgeber Die Exkursion fand reges Interesse bei Interessierten, aber auch bei regionalen PolitikerInnen. Mit dabei waren: Özcan Pancarci (Landratskandidat der Grünen und SPD), Volker Goll (Bezirks- und Kreissprecher), Babara Hofmann Kreissprecherin), alle Vorstände des Ortsverbandes Kleinostheim (Carla, Tino und Sabine).Uns war es wichtig, dass auch Landwirte aus Kleinostheim und Sailauf mit dabei waren, mit denen wir gerne weiterhin im Dialog bleiben. Denn das Thema Hofladen/Selbstvermarktung (z. B. im Verbund) und extensive Weidehaltung wäre auch für Kleinostheim eine clevere Lösung. 1 2 3 ►
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