Entscheidung im Gemeinderat: KASTANIE wird gefällt

Die Entscheidung zum Thema „Kastanie in der Kinderkrippe“ ist gefallen:
Der 70 Jahre alte Baum wird gefällt. Zum Ausgleich sollen Bäume gepflanzt werden, die die gleiche C02-Aufnahme haben wie dieser alte Baum.

Ermutigt hat uns, dass so viele Gäste und Baum-Unterstützer anwesend waren und auch bei den guten Argumenten der Baumbefürworter geklatscht haben. Vielen Dank hierfür!


Wir hätten uns einen Dialog auch mit den Eltern gewünscht. Wir kennen bisher aus Gesprächen nur die Sicht des Trägers.

Wir haben auch mit Trägern anderer Kinderkrippen gesprochen, die auch eine Kastanie im Außenbereich haben und wir haben fundierte Fachmeinungen und Informationen eingeholt.
Gleichzeitig nehmen wir die Sorgen des Trägers ernst und würde deshalb gerne die Sichtweise der Eltern kennen.

Wir sind davon überzeugt, dass man das Miniermottenproblem in den Griff bekommen hätte. Auch die Sicherheit der Kinder hätte man mit einem Fang-Netz unter dem Baum gewährleisten können.

Die Fällung des Baumes ist nicht nötigt, denn es gab eine Alternative. Und die Nachpflanzung von vielen weiteren Bäumen wird eh nötig sein, da aufgrund der Trockenheit viele Bäume im Gemeindegebiet wohl den Sommer nicht überlebt haben.

Zu hinterfragen: Auch der Gutachter, der den Außenbereich auf Sicherheit überprüft und abgenommen hat, und dabei herabfallende Kastanienfrüchte als mögliche Gefahr erkannte, empfahl ein Netz unter dem Baum. Warum wurde das nicht (nochmals) beantragt?
Damit hätten alle leben können!

Nun braucht es zudem eine Lösung, wie die Kinder vor Sonne und Hitze geschützt werden.

Hier wollen wir die gesamte Problematik aufzeigen:

1. Befall mit der Miniermotte

Die Miniermotte ist ein winzig kleiner, unauffälliger Schmetterling.
Sie ist ein bekanntes Problem vor allem bei (weißblühenden) Roßkastanien. Auch die Kastanie in der Kinderkrippe ist leider hiervon betroffen.
Diese Miniermotte dringt untypischerweise ins Gebäude ein und ist somit ein unerwünschter Befall.
Über den Grund des plötzlichen Befalls können wir nur spekulieren. Ggf. wurde die Kastanie durch Wassermangel und die umfangreichen Bauarbeiten im Wurzelbereich geschwächt, sodass der Befall hierdurch begünstigt wurde.

Es gibt verschiedene Methoden, das Miniermotten-Problem zu lösen:

1.1. Lösung: Laub aufsammeln

Da die Larven der Motten sich in den Blättern befinden und im herabfallenden Laub überwintern, ist ein probates Mittel der Abtransport der Blätter am Boden.
Hierzu hat die Gemeinde Kleinostheim einen Hausmeisterdienst beauftragt, der regelmäßig das Laub aufsammelt und entsorgt (es darf nicht kompostiert werden, sonst überleben die Larven der Motte).

Diese Methode ist wirksam, wenn auch nicht gleich im ersten Jahr. Man benötigt Geduld.
(siehe Fokus (2016) Laubsammeln zeigt Wirkung: Keine Miniermotten in Berlin)

Die Lösung wäre in der Krippe noch effektiver gewesen, da hier fast restlos das gesamte heruntergefallene Laub hätte aufgesammelt werden können. Und nur darin überwintern die Miniermotten. Ist das Laub weg, ist auch die Motte (größtenteils) weg.

1.2. Lösung: Meisen als natürlicher Feind

Bisher gab es noch nicht viele Erkenntnisse, wie hilfreich die Meisen hierbei sind. Sie haben zwar die Miniermotte als Nahrung erkannt, bisher wurde die Effektivität aber auch nicht sehr hoch eingeschätzt.
Zwischenzeitlich wurden auch Meisen-Nistkästen angebraucht im Bereich der Kinderkrippe. Hier könnte aber untersucht werden, ob die am Zaun angebrachten Nistkästen in geringer Höhe angenommen werden oder ob diese besser im Baum aufgehängt werden sollten, damit die Vögel ungestört darin brüten können. (Info: die Kästen müssen aber erreichbar angebracht werden, da diese 1x im Jahr gesäubert werden müssen).

„Mit Jahrzehnten Verzögerung beobachten die Wissenschaftler manchmal dann doch verblüffende Regulationsmechanismen. Die Kastanien-Miniermotte beispielsweise ist seit mehr als zwanzig Jahren hier. Der kleine Schmetterling frisst sich in das Laub der Kastanien, das dann braune Stellen bekommt. Fast flächendeckend hat sich die Kastanien-Miniermotte seit ihrer Ankunft ausgebreitet, weil das Tier keine Fressfeinde hatte. So war es zumindest am Anfang. Nun beobachten Zoologen seit zwei Jahren immer wieder, dass Blaumeisen sich nach und nach auf den Schädling spezialisieren.“ (Quelle: Fokus)

1.3. Weitere Methode

Als weitere Methoden könnten Pheromonfallen und Klebefallen helfen. Hier sind wir dabei, weitergehende Informationen und Erkenntnisse zu sammeln.
(z. B. Gartenjournal: Miniermotten kennen und bekämpfen)

2. Gefahr durch herabfallende Kastanienfrüchte

Auch hier gilt: wir nehmen die Sorgen sehr ernst! Sicherheit geht vor, ob im Straßenverkehr oder auch in öffentlichen Einrichtungen.

Aber wie ist nun die Gefahr, bzw. das Risiko einzuschätzen, dass ein Kind durch eine herbfallende Kastanie getroffen wird?

Hierzu haben wir einige Kinderkrippen angeschrieben, die ebenfalls Kinder im Alter von 1 – 3 Jahren betreuen und gleichzeitig einen Kastanienbaum im Außenbereich haben.

Kurz zusammengefasst: Wir haben von keiner Stelle die Antwort erhalten, dass die Kastanie als Gefahr/Risiko erkannt oder bewertet wird.

Ferner haben wir auch weitergehend recherchiert:

2. 1. Roßkastanie ist eine kinderfreundlicher Baum

In der Broschüre der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung „Kinderfreundliche Pflanzen“ wird die Roßkastanie als idealer Baum für Kitas, Spielplätze, etc explizit aufgeführt:
Bundesanstalt-fuer-Landwirtschaft-und-Ernaehrung-Kinderfreundliche-Pflanzen

.

2. 2. Sicht der Unfallversicherung

Einen guten Rat bezüglich Risiken und Gefahren kann man bei Versicherungen einholen. Diese haben Zahlen und Fakten zu möglichen Gefahren und Risiken.

In der Broschüre der „Kommunale Unfallversicherung Bayern – Bayerische Unfallkasse“ wird zwar nicht direkt die Kastanie genannt, aber ein Walnuss-Baum mit ähnlich großen Früchten oder gar ein Apfelbaum wird in der Vorschlagsliste für Kitas aufgeführt:
Unfallversicherung-AussengelaendeKrippenkinder

2. 3. Lösung: ein Netz unter dem Baum

Diese Idee wurde bereits vorher abgelehnt vom Bauausschuss. Das lag aber nur daran, dass der Architekt wohl eine High-Tech Lössung vorgeschlagen hat, die üppige 60.000€ gekostet hätte.
Eine praktikable, effektive Lösung mit einem engmaschigem Netzt wurde leider nicht in Betracht gezogen: dies wäre aber vergleichsweise günstig (günstiger als ein ansonsten benötigtes Sonnensegel) umzusetzten gewesen und hätte zum einen die Kinder zu 100% vor herabfallenden Kastanien geschützt und zum anderen das Laub aufgefangen, dass dann abtransportiert werden könnte.

3. Fehlende Bäume für Ersatzbepflanzung

Im Antrag auf der Tagesordnung steht, dass es eine Ersatzpflanzung geben soll.

Problem: Knappheit an Bäumen für Neubepflanzung

Die letzten Jahre war es gerade für Stadtbäume, aber auch für Garten- und Parkbäume nicht leicht. Trockenheit, Hitze und unzureichende Pflege sorgten dafür, dass viele Bäume abgestorben sind und ersetzt wurden, bzw. noch ersetzt werden müssen. Wir müssen nur mit offenen Augen durch unsere eigene Gemeinde gehen: Hier sind die Schäden aufgrund unzureichender Pflege (fehlende Wässerung, kein Weißanstrich der Rinde, versiegelte oder zu kleine Baumscheiben, ggf. falsches Pflanzsubstrat), Hitze und Trockenheit deutlich zu sehen.

„„Nach Jahren, in denen die grüne Infrastruktur vernachlässigt wurde, haben Kommunen und private Gartenbesitzer den Wert eines lebenswerten grünen Umfelds erkannt.“ Allerdings hätten in den davor liegenden Jahren viele Baumschulen wegen fehlender Betriebsnachfolge die Produktion eingestellt. „Und jetzt hindert der Fachkräftemangel und fehlendes Ackerland die bestehenden Betriebe, die Stückzahl an kultivierten Bäumen auszuweiten.“ Ohnehin aber bräuchten „junge Bäume 12 bis 20 Jahre, bis sie groß genug sind, um sie zu verkaufen“.“
(Quelle: Oldenburger Zeitung: Bund deutscher Baumschulen beklagt massiven Baum-Mangel)

Es fehlt also schlicht an Ersatz-Bäumen. Das kennt man auch von Forstbetrieben, die ebenfalls von fehlendem Saatgut und fehlenden Setzlingen berichten. … (siehe Land und Forst: „Landesforsten: Zu wenig Saatgut für Aufforstung?“)

4. Vorteile des Baumes

Die Bäume haben auf der anderen Seite einen wichtigen Nutzen für die Natur, für die Artenvielfalt fürs Wohlfühlen von Menschen in der Umgebung.

4.1. Vorteile für die Einrichtung und die Kinder

Die Vorteile des Baumes schätzt man, wenn man die Erfahrungen aus der Grundschule kennt:
Die dortigen Bäume im Pausenhof wachsen einfach nicht und dienen somit nur unzureichend als Schattenspender und zur Kühlung.
Deshalb wurde nun, nach sehr langer Zeit, ein Sonnensegel installiert.
Dieses sorgt zwar nicht wie ein Baum für eine Kühlung, aber das Sonnensegel spendet zumindest Schatten für die Schüler*innen. (An dieser Stelle bedanken wir uns beim Engagement des Elternbeirates und bei der Schulleitung).

Gleichzeitig bietet der Baum auch ein Naturerlebnis für die Kinder vor Ort. Der Baum zieht Vögel an und andere Tiere.

„Pflanzen sind im Krippenaußengelände nicht nur gestalterische Elemente, sie bieten Spiel- und Erlebnismöglichkeiten, spenden Schatten – kurzum, sie gehören einfach dazu.“
aus der bereits oben emfohlenen Broschüre Unfallversicherung-AussengelaendeKrippenkinder

4. 2. Vorteile für das Umfeld und die Umwelt

Nicht unterwähnt sein sollte die Tatsache, dass Bäume wichtig sind für die Artenvielfalt.

Der Standort der jetztigen Kinderkrippe war zuvor ein biotop-ähnliches Gelände mit reichhaltiger Bepflanzung in Form von Büschen und Bäumen. Laut Aussage von Gemeinderät*innen (wir Grüne waren bei der Entscheidung noch nicht im Gemeinderat vertreten) sei die Zusage gewesen, dass beim Bau möglichst alle Bäume erhalten werden sollten.

Statt „möglichst alle Bäume“ sind tatsächlich nur 3 Bäume übrig geblieben:

Die erhaltenswerte Kastanie sowie zwei weitere Bäume, die aber durch die Bautätigkeiten bereits in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Über „Google Earth Pro“ kann man eine Zeitreise zurück machen und die Situation vor dem Bau betrachten: eine Grüne Oase, ein Biotop inmitten unseres Dorfes.

Diese Oase ist wichtig für die Tier- und Pflanzenwelt (Artenvielfalt), aber auch für uns Menschen.
Sauerstoff, saubere Luft, Geräuschsenkung (tatsächlich haben die Anwohner nun eine deutlich höhere Geräuschkulisse durch die Autobahn wie zuvor!).

5. Resumée

Nun ist die Entscheidung gefällt worden.

Was uns gefehlt hat bei der Entscheidung: Eine fundierte Gefahrenanalyse.

  • Im Bereich der Kastanie befindet sich auch die Bobbycar-Bahn. D.h. hier halten sich wohl eher die älteren Kinder auf und nicht unbedingt die 1 – 1,5 jährigen. Diese halten sich (laut o.g. Broschüre) wohl eher im Bereich vor ihrem Guppenraumes auf
  • Fangnetz, das unter dem Baum gepannt wird. Dieses muss aber keine 60 Tsd. Euro kosten, wie damals veranschlagt. Man kann vermuten, dass eine solche Konstruktion deutlich günstiger ist als ein ansonsten benötigtes Sonnensegel.
  • Insektenschutzgitter auch an den Dachfenstern. Denn gerade im Sommer stehen die Dachfenster zum Lüften und zum Kühlen offen, während drinnen das Licht brennt. Dies könnte der Grund sein, dass sich die kleinen Insekten in das Gebäuder verirren.

Wir müssen uns auch die Frage stellen, warum die Kastanie nur bei uns als problematisch angesehen wird. Selbst in Aschaffenburg gibt es eine Einrichtung (für Kinder von 1 – 6 Jahren), in der erst kürzlich Kastanienbäume gepflanzt wurden. Grund hierfür war vor allem, dass es an der Kühlung und Beschattung durch Bäume gefehlt hat. Auch in anderen Krippen, mit deren Leitung wir gesprochen haben, wir die Kastanie nicht als problematisch angesehen.

Zu Fällen einen schönen Baum,
braucht’s eine halbe Stunde kaum,
Zu wachsen, bis man ihn bewundert,
braucht er, bedenk‘ es,
ein Jahrhundert

Gedicht „Ein Baum“ von Eugen Roth

Lesetipp: Main-Echo 26.11.2022: Rat entscheidet sich fürs Fällen des Baumes an der Goethestraße Kleinostheim

Unsere Bäume sind wertvoll für uns (Bild: rotblühende Kastanien am Brentanoschul-Pausenhof, die wohl auch in Mitleidenschaft gezogen werden durch die Baumaßnahmen am neuen Kinderspielplatz)
weißblühende alte (Roß-)Kastanie in der Kinderkrippe
die Kastanie: auch im Winter ein beliebter Platz für Vögel!
Anblick früher: Oase, die auch vor Autobahn-Lärm geschützt hat (rechts die Kastanie, alles andere ist weg)
heutiger baumfreier Ausblick, bis auf die Kastanie rechts

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3 Kommentare

  1. Als Lösung wurde ein Netz unter dem Baum beantragt. Da die Kosten hierfür auf 60 Tsd. Euro (!) beanschlagt wurde, ist der Antrag im Bauausschuss abgelehnt worden. Ich weiß nicht, ob der Preis von 60 Tsd. Euro realistisch war oder abschrecken sollte. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass ein gespanntes aber günstiger ist als ein Sonnensegel, das nach der Fällung voraussichtlich benötigt würde.

  2. Liebe Grünen Freunde
    Ich arbeite als Erzieherin in Bergrheinfeld im Kindergarten. Dieses Jahr wurden viele neue Bäume gepflanzt und unsere Gruppe hat einen Kastanienbaum bekommen.
    Es wäre wirklich schade, wenn euer schöner Baum und Schattenspender weichen muss. Sonnensegel sind lang nicht so effektiv. Wenn der Träger Angst vor herunterfallenden Früchten hat, finde ich ein Netz, wie in eurem Artikel erwähnt, oder ein Dach übergangsweise im Herbst eine gute Alternative. Im Frühjahr und Sommer ist dies ja eh nicht notwendig.
    Herzliche grüne Grüße
    Sabine

  3. Hallo zusammen,
    vielen Dank für die informative und qualifizierte Recherche zum Thema Kastanienbaum/Kinderkrippe.
    Schön, dass es euch gibt und ihr soviel Engagement aufbringt.
    Herzliche Grüße und eine schöne Adventszeit wünscht Euch,
    Annette Brenneis